Schicksale / Stories / PIctures

Die Kinder von Nueva Palestina in Sao Paulo

"Neu Palästina" taufte die Organisation Movimento dos Trabalhadores Sem Teto (MTST) ihr neuestes Projekt. Die schlagkräftig und landesweit organisierte Bewegung der obdachlosen Arbeiter - in Brasilien bildet sie die größte städtische Protestbewegung – hat es sich seit Jahren zur Aufgabe gemacht, armen Bevölkerungsschichten bezahlbaren und Menschenwürdigen Wohnraum zu verschaffen. Und das ausgerechnet in Brasilien, wo die Unterschiede zwischen Arm und Reich extrem sind. Nova Palestina ist ein Hügel in der Megalopolis Sao Paulo, der von primitiven Hütten und Zelten bedeckt ist, die hauptsächlich aus Plastikplanen und Abfallholz gebaut wurden. Nach der zunächst illegalen Landnahme hat die MTST das Zeltlager fein säuberlich in Quartiere aufgeteilt, auf jede der primitiven Unterkünfte wurde eine Art Hausnummer gepinselt. Was wichtig ist, denn die Bewegung will in Verhandlungen mit der Stadtverwaltung von Sao Paulo erreichen, dass die Landnahme legalisiert wird. In der Folge sollen die Verschläge der Grundbesetzer durch ordentliche Wohnungen ersetzt werden. Ein Anrecht auf eine Wohnung erwirbt aber nur, wer bei der organisierten Besetzung des Hügels dabei war und sich dort eine Unterkunft gezimmert hat. Etliche Besetzer haben so einen Besitzanspruch erworben, wohnen aber nicht in den zerschlissenen Zelten oder Bretterbuden, sondern in anderen Wohnungen, bei Verwandten und Freunden oder in der Nähe irgendeiner Arbeitsstelle. Sie stehen in der zweiten Reihe, wenn die Stadtverwaltung von Sao Paulo einwilligt und den Landbesetzerrn so zu unvergleichlich günstigen Wohnungen verhilft.

Angeblich 8000 Familien sind an der Aktion Nova Palestina beteiligt, mit 4000 hatte MTST gerechnet. Derartige Aktionen sind für viele Städter die letzte Hoffnung auf eine menschenwürdige Unterkunft, die sie auch bezahlen können. Die Organisation MTST ist die eigentlich natürliche Konsequenz der gravierenden sozialen Probleme, mit denen das aufstrebende BRIC-Land Brasilien zu kämpfen hat. Diese kulminieren in der Millionenmetropole Sao Paulo, die nicht zuletzt aufgrund der ungebrochenen Migrationsbewegung vom Land in die urbanen Zentren zum kaum mehr beherrschbaren Moloch geworden ist, in dem einerseits Grundstückspreise explodieren und andererseits bezahlbarer Wohnraum für die unteren Schichten der Bevölkerung kaum verfügbar ist.

(Vielen Dank - muito obrigado - meiner Kollegin Amanda Perobelli aus Sao Paulo für ihre Unterstützung bei der Umsetzung des Projekts!)